Das Hüttental früher
Das Hüttental wurde vom Tal zu den gerodeten Hängen hinauf, ab 1900 durch Straßen erschlossen wurden. Die wenigen Straßen im Bereich des »Hüttentals« hießen um 1910 Hammer-, Sand-, Bülow-, Stahl-, Siemens-, Moritz-, Wald- und Schützenstraße. Auf den ehemaligen Ackerparzellen standen in diesem Bereich zu dieser Zeit nur 14 Häuser. Ab 1920 setzte eine rege Bebauung ein, die durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde. Nach dem Krieg, dem Wiederaufbau und der einsetzenden Konjunktur benötigte man dringend Wohnraum auch für den Zuzug der Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten. Im Hüttental wurde das Gelände an der Reckhammer- und Gerberstraße und dem Grünen Hang bebaut. Es entstanden Werkswohnungen der großen Firmen in der Heckenberg- und Zeppelinstraße.
Wissenswertes über das Hüttental und seine Industriegeschichte
Die Birlenbacher Hütte
Namensgeber des Wohngebietes Hüttental
Von der La-Tene-Zeit bis zur Schließung 1971
siehe unten Artikel 1
SAG
Die Siegener Aktien-Gesellschaft
Auszüge aus dem Buch "Die SAG"
von Martin Gummersbach
siehe unten Artikel 2
Geschichte Fakt 3
"Die Firma Hundt & Weber"
Ein Projekt an dem zur Zeit gearbeitet wird.
Artikel 1
Birlenbacher Hütte
Die Anfänge der Eisengewinnung und Eisenverhüttung im Siegerland lässt sich bis in die Spät-La-Tène-Zeit (ca. 200 bis 100 vor Chr.) zurückverfolgen. In zahlreichen Ausgrabungen, u. a. auch am Schießberg in Klafeld, fand man zahlreiche Überreste der frühzeitlichen Verhüttung in Form von Windöfen oder auch Rennöfen genannt. Solche Windöfen wurden bis ins Mittelalter von Waldschmieden genutzt. Eine Weiterentwicklung der Öfen, durch den Betrieb eines hand- oder fußbetriebenen Blasebalg machte die Eisenhandwerker unabhängiger von der natürlichen Windzufuhr.
Das für die Verhüttung benötigte Eisenerz fand man auf der gegenüberliegenden Talseite, am heutigen Haardter Berg. In Pingen, auch Trichtergruben genannt, wurde das Erz oberflächennah und leicht abbaubar gewonnen, zum Schmelzofen gebracht und weiter verarbeitet.
Ab dem 14. Jahrhundert machte man sich für die Verhüttung und Weiterverarbeitung des Eisens die Wasserkraft zunutze, durch mechanische Wasserradgebläse und Wasserrad betriebene Hämmer. Durch die immer effizienter genutzten Blasebälge wurde eine größere Hitze in den Schmelzöfen erreicht und der Eisenstein verflüssigt, so dass Roheisen entstand, welches auch zum Gießen genutzt werden konnte.
In der Zeit zwischen 1444 und 1455 wurde die Birlenbacher Hütte als Hochofenwerk gegründet. Nach dem Abgabenverzeichnis der Hütten aus dem Jahre 1463 zahlte damals „Tylman Weßke van syner hütten uff der Birlenbach“ 4 Gulden Hüttenzins, welcher auch Wasserzins genannt wurde und eine reine Wasserbenutzungsabgabe war. Tylman Weßke ist als Gründer der Birlenbacher Hütte festzuhalten.
In den Folgejahren wurde die Birlenbacher Hütte in den Hüttenzinslisten als „Blaißhutten off der Birlenbach“ benannt. Ab 1480 entrichtete Hans off der Geisweid, der Mitbesitzer des Geisweider Eisenhammers den Wasserzins.
Birlenbacher Hütte um 1504 (Maler: Ludwig Heupel, Siegen)
Die Siegerländer Eisenwerke arbeiteten nicht unter voller Ausnutzung ihrer Leistungsfähigkeit, sondern nur bei Warenbedarf oder wenn Aufträge vorlagen. Zudem litten die Hütten unter der knappen Versorgung mit Holzkohle (viele Wälder waren vollständig gerodet) und der unregelmäßigen Wasserzufuhr, die in trockenen Sommern und vor allem im Winter bei starkem Frost meist gänzlich versagte. Die Betriebszeit der Hütten wurde von den Zünften im Jahre 1516 z.B. auf 12 Wochen und im Jahre 1528 auf nur 8 Wochen festgesetzt. Aus dieser Zeit stammt auch der Ausspruch „Haben wir Wasser, trinken wir Wein, haben wir keins, trinken wir Wasser“.
Infolge des Siegerländer Realerbteilungsrechtes im 16. Jahrhundert begann eine Zersplitterung der Hüttenwerke. In den Folgejahren wurden die Werksanteile an eine stets steigende Anzahl von selbstständigen Gewerken vererbt. Das hatte zur Folge, dass jeder Gewerke nur entsprechend seiner Anteile, den Ofen nutzen konnte. Jeder Gewerke hatte auf dem Hüttenplatz seinen eigenen Eisen- und Kohlenbau, d.h. ein oder zwei kleinere Gebäude zur Aufnahme seines Eisensteins, seiner Holzkohle und seiner Arbeitsgeräte. Es war üblich, dass die Gewerken selbstständig und ohne viele Hüttenknechte ihre Arbeit verrichteten. Noch 1836 beschäftigte die Birlenbacher Hütte nur acht Arbeiter. Für die Verteilung der Arbeitstage und die Überwachung der Vorgaben wurde ein Hüttenschultheiß gewählt.
1847 werden in dem Birlenbacher Hüttenbuch 21 Gewerken genannt. Diese starke Zersplitterung der Anteile und ein häufiger Besitzerwechsel drohte bei der damals noch herrschenden Wirtschaftsweise, die jedem Gewerken erlaubte, ganz unabhängig und im eigenen Interesse zu arbeiten, für die Zukunft der Hütte gefährlich zu werden. In den folgenden Jahren kaufte die Familie Schleifenbaum, die den größten Anteil an der Birlenbacher Hütte besaß, den restlichen Gewerken ihre Anteile ab, so dass sie zu deren maßgebenden Besitzer wurden. Kurz danach erscheint die „Birlenbacher Hüttengewerkschaft Schleifenbaum & Co.“ Der 1899 die „Birlenbacher Hütte GmbH“ entstand.
Nach Aufstellung einer Dampfmaschine 1854 und Fertigstellung der Ruhr-Sieg-Bahn 1861 konnten die Probleme auf Grund des Wasser- und Kohlemangels behoben werden. Durch die Umstellung auf Koksbetrieb war nun eine uneingeschränkte Betriebszeit möglich. In der Folgezeit wuchs die Birlenbacher Hütte durch kluge Investitionen zu einer hochentwickelten Industriehütte heran.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde der alte viereckig gebaute Ofen außer Betrieb gesetzt und durch eine neue Anlage mit Fein- und Rauhschacht sowie einem schützenden Blechmantel mit kreisrundem Querschnitt ersetzt. Zu diesem Ofen wurde eine Gießhalle, eine neue Fördermaschine und eine liegende Kolbendampfmaschine aufgestellt. So war eine unter den damaligen Verhältnissen moderne Anlage entstanden, die mit einer 18 köpfigen Belegschaft den neuen Ofen in Betrieb genommen haben.
Birlenbacher Hütte ca. 1904 (Maler: Ludwig Heupel, Siegen)
Birlenbacher Hütte ca. 1890
Der im Jahre 1903 in Dienst genommene Bürobeamte Gustav Marenbach, übernahm im ersten Weltkrieg die volle Verantwortung für das Unternehmen. Die hohe Inflation und der Zusammenbruch der Wirtschaft, in Folge der Weltwirtschaftskrise, stellte auch die Birlenbacher Hütte vor immense Aufgaben. Durch kluge und vorausschauende Investitionen in den Um- und Ausbau der Hütte führten entscheidende Veränderungen der Anlagen und eine Steigerung der Qualität des Erzeugnisses zur Existenzsicherung auch über diese wirtschaftliche Krisenzeit hinaus.
In der Zeit von 1918 bis 1932 musste ein Großteil der Eisenhütten im Siegerland wegen dieser Krisen schließen.
Durch die Weiterentwichlung des Hochofenwerkes und die Nutzung aller Ressourcen der Produktion entstand ein für diese Zeit sehr effizientes Hochofenwerk. Die Hochofengase wurde zur Gewinnung von elektrischer Energie genutzt, welche zu einem großen Teil dem öffentlichen Netz zugeführt wurde. In einer dem Hochofenwerk angegliederten Steinfabrik wurden die "Abfallprodukte" Schlacke und Schlackensand zu Mörtel und Mauersteinen verarbeitet. Viele der Häuser des "Hüttentals" wurden mit diesem günstigen Baumaterial errichtet.
Durch die Steigerung der Qualität der Eisenprodukte und die stehte Weiterentwicklung, erzeugte die Birlenbacher Hütte als erstes und einziges Unternehmen in den Jahren 1943 und 1944 das Produkt "Ferrochrom", eine Legierung aus Eisen und 50 - 65 % Chrom.
In den Folgejahren wurde die Weiterentwicklung in Richtung von besonderer Veredelung des Roheisens voran getrieben.
Fortsetzung folgt
Artikel 2
SAG
Siegener Aktien-Gesellschaft
Im Jahre 1880 gründeten die Fabrikanten Wilhelm Holdinghausen und Carl Reifenrath eine Verzinkerei im Birlenbachtal. Eine Schlosserei und eine Klempnerei wurden mit eingerichtet. Die erste Halle war ca. 15 x 30 m groß und wurde in Fachwerkbauweise errichtet. Ein großer Kupfertrog diente den ersten 40 Mitarbeitern als Zinkwanne.
1885 wurde die Verzinkerei der Fabrikanten Holdinghausen und Reifenrath durch die Unternehmerfamilie Dresler aus Kreuztal, gemeinsam mit weiteren 11 Siegerländer Fabrikanten übernommen. Das war die Geburtsstunde der Siegener Verzinkerei Aktien-Gesellschaft, im Volksmund auch Zenkbude genannt.
In den Folgejahren wurde eine Schwarzblechklempnerei, die Fabrikation verzinkter Pfannenbleche und eine Abteilung für Eisenkonstruktionen eingerichtet. Die Anzahl der Mitarbeiter wuchs in den Jahren 1886 bis 1899 auf 245. Die Produktionshallen wurden erweitert und das Fabrikgelände wuchs in diesem Zeitraum bis zur Birlenbacher Hütte heran.
1905 fand eine Umfirmierung in „Siegener Aktiengesellschaft für Eisenkonstruktion, Brückenbau und Verzinkerei“ statt. Diese Namensänderung weist auf die deutlich veränderten und hinzugekommenen Schwerpunkte der Produktionen hin. Brücken- und Hallenkonstruktionen wurden nun in die ganze Welt geliefert.
Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges stieg die Zahl der Beschäftigten auf 380 an und nahm durch die „Einberufung zu den Fahnen“ im Jahr 1914 wieder deutlich ab. Zur Aufrechterhaltung der Produktion wurden in den Kriegsjahren auch weibliche Arbeitskräfte und Kriegsgefangene beschäftigt.
Bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg läuft die Produktion wieder normal an und der Betrieb wird erweitert um einen Standort in Kreuztal, der jedoch 1924 durch die Wirtschaftskrise wieder stillgelegt werden muss. Die Weltwirtschaftskrise 1929 geht auch an der SAG nicht spurlos vorbei. Eine Betriebsauslastung von 40 – 50 % führt zu großen Betriebseinschränkungen und damit verbundenen umfangreiche Entlassungen.
Während des 2. Weltkrieges wurde die Rüstungsindustrie auch aus Geisweid unterstützt. Die SAG produzierte während dieser Zeit z.B. Stollenbleche zum Ausbau von Stellungen und Bunkern sowie U-Boot-Teile als Vorfertigung zum Zusammenbau in den Werften an Nord- und Ostsee.
Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde ein Teil der Betriebsanlagen durch Artilleriebeschuss zerstört. Die baulichen Zerstörungen waren nicht sehr produktionseinschränkend, vielmehr machte sich der Rückgang der Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Belegschaft durch mangelnde Ernährung bemerkbar. Um die Mitarbeiter zu unterstützen wurden regelmäßig Lebensmittel, Kleidungsstücke und Gegenstände des alltäglichen Bedarfes von der Betriebsleitung angekauft und vergünstigt an die Belegschaft weitergegeben.
1948 sind noch 89 Belegschaftsmitglieder in Kriegsgefangenschaft.
Die SIEBAU Siegener Stahlbauten GmbH Kreuztal wurde 1946 als Tochtergesellschaft der SAG gegründet. Die SIEBAU spezialisierte sich zunächst auf den Aufbau und Verkauf von Konstruktionen und Stahlbauteilen, insbesondere für landwirtschaftliche Bauten, sowie zur Entwicklung und Durchführung von Neubauvorhaben für den Wiederaufbau.
Mit Beginn des Wirtschaftswunders Anfang der 1950er Jahre ging es deutlich aufwärts. Die Belegschaft wuchs bis 1950 auf 889 Mitarbeiter und im weiteren Verlauf bis 1960 auf fast 1700 Mitarbeiter an. In der „SAG-Siedlung Bornstraße“ wurden 1950 die ersten 39 Wohnungen für Werksangehörige fertig gestellt, sowie 54 Kinder von Mitarbeitern an die Nordsee oder in den Schwarzwald zur Kur geschickt. Eine eigene Lehrwerkstatt wurde 1951 eingerichtet.
Der Durchschnittslohn für Lohnempfänger über 21 Jahren entwickelte sich von 1955 von 1,87 DM bis 1958 zu 2,35 DM. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug zu dieser Zeit 46,4 Std.
Ein neues Werk in Erndtebrück wurde 1953 fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Bis 1959 wurde die Verzinkerei umfangreich umgebaut und erweitert. Zur Ausweitung der Lohnverzinkungskapazitäten wurde ein 14-m-Kessel eingebaut. Bereits 5 Jahre später musste die Verzinkereihalle im Werk Geisweid verlängert werden.
Ein weiterer Ortsbildprägender Bau wurde 1960 errichtet. Das Betriebsbüro, in der Belegschaft und in der Bevölkerung Blauer Bock genannt, wird in Betrieb genommen und 1966 um weitere 3 Geschosse erweitert.
Im gleichen Jahr 1964 wird die Produktion im neuen Werk in Ferndorf aufgenommen. Dort wurde eine Profilierstraße zum Profilieren von verzinkten Blechen gebaut, welche Bandbleche verzinkt.
Die gesamte SAG-Gruppe mit ihren Zweigwerken und Tochterfirmen beschäftigen 1965 bereits ca. 2200 Mitarbeiter.
Nach dem ersten Konjunktureinbruch nach den Weltkriegen im Jahr 1967 wurde die Sonderfertigung im Stahlbau Geisweid eingestellt. Trotz einiger namhafter Aufträge, hier seien zwei besonders benannt, das SAG-Dach für den Bungalow des Bundeskanzlers in Bonn und mehrere große Gebäude für die Olympischen Sommerspiele in München, war im Werk der SAG in Hüttental-Geisweid auch in den 1970er Jahren ein starker Auftragsrückgang zu spüren.
Im März 1972 kommt zur allgemeinen Konjunkturflaute in der Bundesrepublik eine zweite gravierende Sorge hinzu. Im Zusammenhang mit der Planung und dem Neubau der B54 in Klafeld-Geisweid und Weidenau wurde die Beseitigung des Gleisanschlusses der SAG nach langen Diskussionen beschlossen. Für eine wirtschaftliche Produktion war dieser Gleisanschluss jedoch existentiell. In den Folgejahren wird die wirtschaftliche Lage der SAG zunehmend ernster.
1978 finden tiefgreifende Veränderungen für die SAG-Firmengruppe statt. Die 1977 eigetretenen erheblichen Verluste machten eine Konsolidierung der Unternehmensgruppe erforderlich. Die Hoesch Werke AG in Dortmund übernahmen die Mehrheit des Aktienkapitals von den früheren Aktionären und sicherten mit ihrem Kapital die finanzielle Absicherung.
Am 01. Mai 1980 sind die SAG und die Hoesch Siegerlandwerke AG zu einer unternehmerischen Einheit unter Leitung der Hoesch Siegerlandwerke AG zusammengefasst worden. Mit Übernahme der Betriebe sind alle Rechte und Pflichten der SAG auf die Hoesch Werke AG übergegangen.
Nach der Stilllegung der SAG-Betriebsstätte Geisweid wurden die Werkshallen an der Birlenbacher Straße 1988 bis 1989 abgerissen und das Gelände für eine Neubebauung des Technologiezentrums TZSI hergerichtet.